„Er, der das Wort ist, wurde ein Mensch von Fleisch und Blut und lebte unter uns. Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit, wie nur er als der einzige Sohn sie besitzt, er, der vom Vater kommt.“ Joh.1, 14
Gott wird irdisch. Gott macht sich vergänglich. Welche Zumutung und welches Wagnis ereignet sich hier vor den Augen der Welt.  Gewohnte religiöse Denk- und Fühlmuster werden buchstäblich vom davon kündenden Himmel aus den Angeln gerissen, denn wer hätte je gehört, dass der Schöpfer sich in die Hand seiner Werke legt , die Liebe in den Schoß des Menschen, der einst IHN und ihrer beider Glück (Paradies) verriet, die Gnade sich den Mach(t)werken menschlicher Untreue ausliefert und die Gerechtigkeit dem Antlitz einer mit allen Wassern gewaschenen Welt nicht ausweicht.
Viele Wörter fallen seit Jahrhunderten den nächtlichen Boten dieser Nachricht in den Arm:
„Tu´s nicht! Lass nicht Deine Heiligkeit von dem Unwillen, dem Mutwillen, dem Widerwillen der Menschen besudeln. Wie willst Du uns helfen, wenn Du selbst unter die Räder der Geschichte gerätst? Was passiert dann mit Deiner Würde, Deiner Unversehrtheit, die uns heilig ist. Wenn nicht Du, wer sonst hätte Anspruch und Durchsetzungsvermögen seine Unantastbarkeit gegen alle Willkür zu verteidigen? Wir wissen, was es bedeutet, unter uns zu leben. Bleibe in dem unvergänglichen Licht, wohin wir unsere geistliche/spirituelle Zuflucht nehmen können.“
Und das Wort wäre nur ein ferner Widerhall geblieben aus einer dem Menschen ewig verstellten, unzugänglichen Welt.
Aber das Unglaubliche passiert –  Gott wird Mensch.
Gott kommt auf Menschen-weise:
mit dem Einverständnis eines jungen Mädchens,
mit der stillen Bejahung  eines Handwerkers,
in den mütterlichen Kreislauf von Blut und Zellen,
in´s Werden,
schon als Ungeborener in´s Gerede,
noch vor dem Erblicken des Lichtes der Welt in´s Unterwegssein
und tauscht den Staub der Straßen mit der ruhigen Vorfreude auf seine Geburt,
steckt plötzlich in unserer Haut.
Gott steckt in unserer Haut. Und seine Hingabe buchstabiert sich durch sein Leben unter uns. Es bekommt Hand und Fuß, Freude und Schmerz, Enttäuschung und Mitgefühl, Fleisch und Blut. Gott setzt sein „Sein“ auf´s Spiel und macht es zum nunmehr schrankenlosen „Da-Sein“ für uns.
Herrlichkeit wird sichtbar, denn Augen sehen, Ohren hören, Ungerechtes wird entthront, Totes wird lebendig, Lahmes kommt auf die Beine und Herzen renken sich ein. Der Schöpfer des Himmels und der Erde hat sich in seinem Sohn empfänglich und verletzlich, hinterfragbar und erfahrbar, einschätzbar und unschätzbar, spürbar und nahbar gemacht. Und, oh Wunder, daraus  entsteht  eine Liebesfrucht, die dem Menschen sein Menschsein wieder eröffnet – ein neuer Geist beseelt sich seiner – der Geist des Vaters und des Sohnes. Noch ein Mal kann jeder Mensch geboren werden – neu und unverwechselbar menschlich, seiner selbst und Gottes würdig.
Seitdem lebt und stirbt, leidet und triumphiert diese Liebe in der staubigen Provinz Palästinas, auf den Baumwollfeldern der Sklaven, im Wald von Katyn, in den Schützengräben der Weltkriege, in Auschwitz, in den Lagern, in Heimen, Familien, Fabriken und Chefetagen, in den Amokläufen der Menschheit und in allem Herzflimmern dieser Welt.
Seitdem ist Christus Jesus der brennende Dornbusch Gottes, dessen Liebe uns glühend in das väterliche Haus unseres Ursprungs einlädt – nicht vorbei an unserem Fleisch und Blut, sondern durch uns und mit uns und in uns.
Steffen Kaupp